Im März 2012 feierte Martin Walser seinen 85. Geburtstag. Der Schriftsteller ist bereits in den fünfziger Jahren als Mitglied der Gruppe 47 hervorgetreten und hat seither ein umfangreiches Werk vorgelegt, in dem sich die Geschichte der Bundesrepublik spiegelt. Seine Protagonisten sind zumeist kleinbürgerlichen Zuschnitts. Der Begriff des Kleinbürgers ist von Walser dabei keineswegs herabsetzend gemeint, er bezeichnet eine durch diese soziale Mittellage begründete Zerrissenheit, derentwegen Lebensentwürfe selten gelingen. Der Kleinbürger steht zwischen dem Proletarier und dem Bourgeois, auf eine groteske Weise hat er an der Bestimmung beider Anteil: Er beutet sich selbst aus. Er ist Täter und Opfer gleichermaßen und vereinigt auf sich jene schwebende Unentschiedenheit der Gegensätze, die Walser in seinen Poetikvorlesungen, dem Kernstück dieser Sammlung, als das Prinzip der Ironie herausgearbeitet hat: Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr. Man wirft Walser immer wieder vor, der ehemals Linke habe die Seiten gewechselt.
Ob sich der Standpunkt des Schriftstellers oder nur die Kulisse verändert hat, dies zu überprüfen, bietet die vorliegende Sammlung ausreichend Gelegenheit: Sie umfasst Selbstzeugnisse von 1969 bis heute.
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